Der südamerikanische Monsun nähert sich einer kritischen Grenze. Ist dies eine Reaktion des Abholzens?
Die Auswirkungen der globalen Erwärmung, der Entwaldung und der intensivierten Landnutzung können eine kritische Destabilisierung des südamerikanischen Monsuns verursachen. Das ist das Ergebnis einer jetzt im Fachjournal Science Advances veröffentlichten Studie.
Ist der Punkt der kritischen Destabilisierung einmal überschritten, könnten sich in weiten Teilen des südamerikanischen Kontinents die Niederschlagsmengen deutlich reduzieren. Dies hätte wiederum erhebliche Auswirkungen auf die Stabilität des Amazonas-Regenwaldes. Die Veränderungen beträfen auch Gebiete, die noch nicht direkt Teil der Änderungen in der Landnutzung sind. Auch dort könnten existentielle Schäden entstehen.
Problem Landnutzung
Der Amazonas-Regenwald nahm in den letzten Jahren durch Landnutzungsänderungen permanent ab. Die Bolsonaro-Regierung in Brasilien hatte den menschengemachten Klimawandel bis zuletzt geleugnet. Sie trieb die Abholzung des Regenwaldes und die Umwidmung des frei gelegten Geländes für den Anbau von Monokulturen bzw. intensiver Tierhaltung voran. Auch die aktuelle Regierung von Präseident Lula da Silva zeigt nur ein sehr allmähliches und zu langsames Umdenken.
Der Regenwald ist auch durch die zunehmende Häufigkeit von Dürren und Bränden bedroht. Vergangene Studien deuteten auf ein abruptes Absterben großer Teile des Regenwaldes nach vollständiger oder teilweiser Abholzung hin. Deren kritische Schwellen, die zugrunde liegenden Mechanismen und mögliche langfristige Auswirkungen der Waldschädigung auf die Monsunzirkulation blieben bisher eher ungewiss.
In ihrer Studie haben nun Forschende des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und der Universität Tromsø (UiT) untersucht, wie Veränderungen von Waldschäden und der Monsunzirkulation miteinander zusammenhängen. Der Erstautor der Studie, Nils Bochow, sagt dazu: »Waldverluste durch direkte Abholzung, Dürren und Brände können das Klima in Südamerika … erheblich verändern und dazu führen, dass die komplexen Kopplungsmechanismen zwischen Amazonas-Regenwald und südamerikanischer Monsunzirkulation einen kritischen Punkt der Destabilisierung überschreiten.« Die nun mit der Studie vorgestellten Ergebnisse würden auf eine bevorstehende Verschiebung im Amazonas-Ökosystem hindeuten, wenn die Abholzung und die globale Erwärmung nicht gestoppt werde.
Methodik
Das Forschungsteam verwendete ein nichtlineares dynamisches Modell des Feuchtigkeitstransports und -recyclings im Amazonasgebiet. So wurden mehrere Vorläufersignale für einen kritischen Übergang der gekoppelten Atmosphäre-Vegetations-Dynamik identifiziert. Anhand von Simulationen enthüllten die Forschenden sowohl statistische als auch physikalische Vorläufersignale einer möglichen bevorstehenden kritischen Grenze. Sie führten diese charakteristischen Vorläufersignale auf die Annäherung an einen kritischen Übergang des gekoppelten Amazonas-/Atmosphäre-/Vegetationsystems zurück, der durch Waldverlust aufgrund von Abholzung, Dürren und Bränden verursacht wurde. Zunehmende Monsunveränderungen würden zu wesentlich mehr Trockenheit führen und damit auch die gesamte Existenz des Regenwaldes gefährden.
Signifikante Anzeichen für abnehmende Stabilität des Monsunsystems
Der Feuchtigkeitsaustausch, der zwischen Regenwald und Atmosphäre über Niederschlag und die Verdunstung erfolgt, ist ein Schlüsselmechanismus für das südamerikanische Hydroklima und die Stabilisierung des Amazonasgebiets insgesamt. So stammt ein großer Teil des Regens in den westlichen Teilen des Amazonasgebiets und im südlichen Südamerika aus der Verdunstung durch Amazonasbäume selbst.
Dieser Feuchtigkeitsaustausch ist Grundlage des südamerikanischen Monsuns und damit auch der Verfügbarkeit von Feuchtigkeit, die der Amazonas-Regenwald zum Überleben braucht. Vor allem die massive Abholzung im östlichen Amazonasgebiet und die daraus folgende Schädigung des Waldes hat das Risiko erhöht, dass dieser Feuchtigkeitsaustausch unterbrochen wird. Aktuellste Beobachtungsdaten lieferten dem Forschungsteam deutliche Anzeichen dafür, dass die Stabilität des südamerikanischen Monsunsystems in den letzten Jahrzehnten abgenommen hat.
Der PIK-Forscher und Koautor Niklas Boers betonte: »Ein Zusammenbruch des gekoppelten Regenwald-Monsum-Systems würde in weiten Teilen Südamerikas zu einem erheblichen Rückgang der Niederschläge führen.« Aufgrund der Komplexität dieses Systems sei eine Abschätzung der Auswirkungen eines Zusammenbruchs des Monsuns jedoch noch mit großen Unsicherheiten verbunden. Nach Ansicht der Wissenschaftler würden die Niederschläge vor allem im westlichen Amazonasgebiet und weiter stromabwärts der atmosphärischen Strömung in Richtung der Subtropen stark abnehmen. Dies würde den tiefen, westlichen Amazonas-Regenwald von einem großflächigen Absterben bedrohen. Durch die absterbenden Bäume würden zusätzliche Treibhausgase freigesetzt, was wiederum einen zusätzlichen Effekt auf die globale Erwärmung nach sich zöge.
Fazit
Die Studie liefert zwar den wichtigen Hinweis darauf, dass es einen kritischen Punkt der Destabilisierung für das gekoppelte Regenwald-Monsun-System gibt. Sie betont auch, dass dieser Punkt näher rücken könnte. Allerdings liessen sich zum jetzigen Zeitpunkt keine Rückschlüsse auf die genaue Position dieses Kipppunkts oder auf seinen Zeitpunkt ziehen. Niklas Boers dazu: »Unsere Studie setzt den südamerikanischen Monsun auf die Landkarte der potenziellen Kipppunkte des Erdsystems. Sie bestätigt auch die bestehenden Befürchtungen hinsichtlich des Amazonas-Regenwaldes. Der Übergang würde zu wesentlich trockeneren Bedingungen führen, unter denen der Regenwald wahrscheinlich nicht mehr erhalten werden könnte.«
Auch diese Studie ergänzt viele derartige Studien an Land und auf den Meeren der Welt, die auf destabilisierende Elemente unserer Ökosysteme hinweisen. Die aktuelle Regierung in Brasilien gehört zwar nicht mehr zur Fraktion der Zweifler oder Leugner des menschengemachten Klimawandels. Sie hat in der kurzen Zeit nach ihrer Einsetzung aber nur sehr wenige Anzeichen dafür geliefert, dass sie die Zeichen ihrer eigenen Naturwerte verstanden hat.
Sie und die Welt müssen sich nachhaltig für ein Ende der Abholzung und für rasche Wiederaufforstung einsetzen. Wälder sind Kohlenstoffspeicher. Dies gilt ganz speziell für die tropischen Regenwälder. Diese durch Abholzung zu vernichten ist ein Rückschlag für alle weltweiten Bemühungen zu den Fragen nach Kohlenstoffspeicherung. Ökosysteme, wie den südamerikanischen Monsun, durch Abholzung zu gefährden schadet nicht nur den Ländern Südamerikas, sondern uns allen.