Weiterhin kein Abkommen mit dem Ziel einer Reduzierung von Plastikmüll
Neben der Reduzierung von Plastikmüll steht die Absicht eines solchen Abkommens auch im Zusammenhang einer Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 °C gemäß dem Pariser Abkommen von 2015.
Nach Jahren erfolgloser Verhandlungen mit dem Ziel einer Reduzierung von Plastik zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Ökosysteme an Land und in den Meeren beendeten die der UNEP zugehörigen Länder nach ihrer Konferenz in Ottawa am 29.April 2024 ihre Verhandlungen erneut mit einem nur unverbindlichen Grundsatzbeschluss.
Das eigentliche Ziel der Konferenz sah vor, dass die Plastikproduktion in 15 Jahren um 40 % reduziert wird.
Viele Meinungsverschiedenheiten und wenige Fortschritte
Die verhandelnden Regierungsvertreter machten zwar einige Fortschritte, um das weltweite Plastikmüllproblem an Land und auf dem Meer in den Griff zu bekommen. Allerdings gab es weitrerhin heftige Meinungsverschiedenheiten zur Kernfrage, die Plastikproduktion weltweit zu begrenzen. So fehlte eine Festlegung auf Zeiträume und Mengen zum Abschluss dieser viertätigen Konferenz.
Plastikproduktion und Plastikabfälle steigen permanent an
Die weltweite Kunststoffproduktion stieg von 2 Mio. Tonnen im Jahr 1950 auf 400,3 Mio. Tonnen im Jahr 2022. Es wird erwartet, dass sich die Kapazitäten der kunststoffproduzierenden Industrie bis 2040 verdoppeln könnte.
Weltweit werden lediglich knapp 30% der Plastikabfälle recycelt. Ein etwa gleich großer Anteil wird in Müllverbrennungsanlagen thermisch entsorgt und 40% landen auf Mülldeponien an Land bzw. direkt oder indirekt in den Meeren der Welt. So gelangen jährlich etwa 11 Millionen Tonnen Plastik ins Meer. Die Umweltverbände befürchten, dass sich bis 2040 das Ausmaß dieser Meeresverschmutzung durch Plastikmüll verdreifachen könne.
Zusammenhang der Produktion mit fossilen Energieträgern
Die Kunststoffproduktion ist ein wesentlicher Faktor für den Klimawandel, da der Großteil des Kunststoffs aus fossilen Brennstoffen hergestellt wird. Eine Studie von Wissenschaftlern des US-amerikanischen Lawrence Berkeley National Lab schätzt, dass die Kunststoffproduktion bis 2050 21–31 % des weltweiten Kohlenstoffemissionsbudgets ausmachen könne.
Eine Analyse von Beyond Plastics aus dem Jahr 2021 ergab, dass die US-amerikanische Kunststoffindustrie bis 2030 einen größeren Anteil an den Folgen der Klimakrise haben wird als die Kohlekraftwerke im Land.
Konkrete Vorschläge lagen auf dem Tisch
Zwei Länder, Ruanda und Peru, hatten während der Konferenz einen ersten konkreten Vorschlag zur Begrenzung der Produktion vorgelegt, um damit die ökologischen und gesundheitlichen Schäden, aber auch die enormen CO2-Emissionen bei der Produktion zu reduzieren. Der Antrag der beiden Länder mit dem Titel »Nordstern« hatte ein globales Reduktionsziel vorgeschlagen. Die Produktion von primären Kunststoffpolymeren sollte weltweit bis 2040 um 40 % gegenüber dem Basisjahr 2025 reduziert werden.
Der Vorschlag enthielt auch die Prüfung einer verbindlichen Berichterstattung aller Länder über statistische Daten zu Produktion, Importen und Exporten von primären Kunststoffpolymeren.
Ein globales Ziel zur Reduzierung von Plastik würde »…dem rechtsverbindlichen Pariser Abkommen ähneln…«, betonten die antragstellenden Länder Ruanda und Peru. Das Ziel solle mit dem globalen Ziel einer sichere Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe übereinstimmen, indem die Lücke zwischen Produktion und Verbrauch geschlossen werde.
Trotz der massiven Einwände der produzierenden Länder und Unternehmen sowie der Öl- und Gasexporteure fand zumindest die Forderung im Abschlussdokument der Konferenz Erwähnung.
Mit dem Ende der Sitzung in Ottawa einigte sich das beratende Komitee darauf, vor seiner fünften und letzten Sitzung, die später in diesem Jahr in Südkorea stattfindet, weiter an dem Vertrag und seinen Zielen zu arbeiten. Allerdings konzentrieren sich die Vorbereitungen für diese Folgesitzung auf die Finanzierung der Umsetzung des Vertrags, die Bewertung der besorgniserregenden Chemikalien in Kunststoffprodukten und die Betrachtung von Produkteigenschaften.
Kommentare zeichnen ein gemischtes Bild deer Ergebnisse
Ruandas Vertreter sagte, die Verhandlungsführer hätten den Elefanten im Raum ignoriert, indem sie sich nicht mit der eigentlichen Plastikproduktionsmenge befasst hätten.Es ging bei dem Abkommen nicht nur um einen unverbindlichen Textinhalt, sondern um einen gesamten Prozess, also einfach darum, zukünftigen Generationen der Menschen in der Welt eine bessere Zukunft zu bieten.
Stewart Harris, ein Branchensprecher des International Council of Chemical Associations, sagte, die Mitglieder seines Verbandes wollen einen Vertrag, der sich auf das Recycling und die Wiederverwendung von Kunststoffen konzentriert. Die Industrie lehnt eine Obergrenze für die Kunststoffproduktion ab. Die globalen Industrievertreter sind auch der Meinung, dass die chemische Zusammensetzung von Kunststoffen durch zukünftige Abkommen nicht reguliert werden sollten.
Dutzende Wissenschaftler der Scientists' Coalition for an Effective Plastics Treaty nahmen an der Konferenz von Ottawa teil. Ihr Ziel war es, den Verhandlungsführern Forschungsergebnisse zur Plastikverschmutzung zur Verfügung zu stellen sowie um Fehlinformationen auszuräumen. In einer Stellungnahme während der Konferenz sagte die Wissenschaftlerin Bethanie Carney Almroth, Professorin für Ökotoxikologie an der schwedischen Universität Göteborg und Co-Leiterin der Koalition: »Ich habe während der Konferenz gehört, dass es keine Daten zu Mikroplastik gäbe. Das ist nachweislich falsch! Es wurden bisher 21.000 Publikationen zu Mikro- und Nanoplastik veröffentlicht. Es ist wie bei dem Spiel Whack-A-Mole.« In diesem Spiel bestehe das Ziel darin, einen Haufen schelmischer Maulwürfe ruhig zu stellen, die immer wieder aus ihren Löchern auftauchen. Sie betonte, dass Wissenschaftler immer wieder von Lobbyisten schikaniert und eingeschüchtert würden.
Zwischen den beiden Polen beruhigte Walter Schuldt, Ecuadors Chefunterhändler, dass die vertretenen Länder trotz ihrer Differenzen eine gemeinsame Vision hätten, im Vertragsprozess voranzukommen. »…denn letzten Endes geht es um das Überleben der Zukunft des Lebens, nicht nur des menschlichen Lebens, sondern aller Arten von Leben auf diesem Planeten«.
Björn Beeler, internationaler Koordinator des International Pollutants Elimination Network, sagte gegenüber der Associated Press »Nach zwei Jahren voller Diskussionen haben wir einen Schritt nach vorne gemacht. Jetzt müssen wir über konkrete Texte verhandeln. Leider werden noch viel mehr politische Entscheidungen notwendig sein, um der außer Kontrolle geratenen Plastikproduktion entgegenzuwirken.«
Mitglieder des Caucus für indigene Völker hielten am Samstag eine Pressekonferenz ab, in der sie sagten, dass Mikroplastik ihre Lebensmittelversorgung kontaminiere und die Verschmutzung ihre Gemeinschaften und Lebensweisen bedrohe. Sie hätten das Gefühl, dass ihre Stimmen nicht gehört wurden. Es seien auch die angestammten Länder der indigenen Völker, die mit Plastik verschmutzt werden. Eine Sprecherin der Bewegung aus Neuseeland betonten »Wir sind Rechteinhaber und keine Teilhaber. Wir sollten mehr Rede- und Entscheidungsspielraum haben als die Menschen, die das Problem verursachen.« In der Bay of Plenty, einer Meeresfrüchtequelle an der Nordküste Neuseelands, seien die Sedimente und Schalentiere voller winziger Plastikpartikel.
Schon bei ersten UN-Gesprächen zum Thema im Jahr 2022 in Nairobi, Kenia, hatten sich die Länder darauf geeinigt, dass ein Vertrag zur Reduzierung von Plastikmüll den gesamten Lebenszyklus von Plastik berücksichtigen muss. Die Tagung endete mit dem Ziel, bis 2024 ein internationales rechtsverbindliches Abkommen zu schließen.
Fazit
Auch diese viertägige Konferenz mit dem Ziel der Reduzierung der Plastikverschmutzung unserer Ökosysteme zeigt den Spagat zwischen Wissenschaft, der direkt betroffenen Gesellschaft, den Interessen der Wirtschaft, in diesem Fall der Kunststoffproduzenten bzw. der fossilen Energieträger als deren Vorlieferanten und der Politik, die am Ende die Regeln aufstellen muss, um die ökologischen Probleme in den Griff zu bekommen. In Ottawa hat sie das bisher nicht getan. Die nächste Chance bekommt sie in Südkorea im weiteren Verlauzf des Jahres.