Explosionsartige Invasion der Horror-Ameise Tapinoma magnum, große Drüsenameise, und kein Bekämpfungsmittel in Sicht!
Auf dem Spielplatz in Marlen wimmelt es von Aktivität: Die Grasfläche ist größtenteils umgegraben, und an den Holzbalken, die den Sandbereich umrahmen, haben sich dunkelgraue Ameisenstraßen und schwarze Ameisenhaufen gebildet. Das schwarze Insekt, das zahlreiche Einwohner in Marlen und mittlerweile auch in Neumühl zur Verzweiflung treibt, ist als Tapinoma magnum bekannt.
Es ist mittlerweile unumstritten, dass in Marlen eine sogenannte Superkolonie der Tapinoma magnum existiert, die aus Millionen von Ameisen besteht und sich über mehrere Hektar erstreckt. Diese äußerst schnellen Insekten untergraben Gehwege und Straßen und dringen sogar in Häuser ein.
Die Tapinoma magnum Ameisen haben bereits Strom- und Internetausfälle verursacht, weil sie in elektrische Anlagen eindringen und diese beschädigen.
Trotz der Bemühungen der Stadt, die invasive Ameisenart seit letztem Herbst mit maisstärkehaltigem Heißschaum zu bekämpfen, hat sich die Population in Marlen explosionsartig vermehrt.
sagt David Altendorf von der Schädlingsbekämpfungsfirma Kleinlogel.
Auch der Spielplatz in Neumühl ist betroffen, wie die lockeren Erdflächen auf der sonst grünen Wiese und das Gewimmel in den bepflanzten Bereichen zeigen.
50.000 Euro Kosten pro Jahr
Die Stadt Kehl rechnet für die Bekämpfung des Problems mit jährlichen Kosten von bis zu 50.000 Euro, doch eine endgültige Lösung ist bislang nicht in Sicht. Oberbürgermeister Wolfram Britz hat daher den dringenden Appell an das Umweltministerium des Landes, das Regierungspräsidium Freiburg und die Umweltbehörde beim Landratsamt gerichtet, um Unterstützung zu erhalten.
Bürgermeister appelliert an Landes- und Bundesregierung
Da auch andere Städte und Gemeinden von der invasiven Ameise betroffen sind, hat sich Oberbürgermeister Wolfram Britz an das Umweltministerium des Landes, das Regierungspräsidium Freiburg und die Umweltbehörde beim Landratsamt gewandt.
Neben den hohen Kosten hebt Britz die Notwendigkeit eines schnellen, koordinierten und konsequenten Vorgehens zur effektiven Bekämpfung invasiver Arten hervor. Er fordert die Gründung schlagkräftiger Netzwerke aus Vertretern der Forschung, Wirtschaft und Politik.
Auch die Gemeinde Herxheim, in Rheinland-Pfalz, kämpft gegen die Drüsenameise
Eine weitere bemerkenswerte Eigenschaft der Tapinoma magnum ist der starke, unangenehme Geruch, den sie absondert, wenn sie gestört oder bedroht wird. Diese zu den Drüsenameisen zählende Art verströmt einen Geruch, der an ranzige Butter erinnert.
Obwohl die Ameisen nicht stechen, sind sie aggressiv und beißen schnell. Zudem verdrängen sie heimische Ameisenarten, was zu einer empfindlichen ökologischen Dysbalance führen kann.
Ein wesentlicher Unterschied zu einheimischen Ameisenarten liegt in der polygynen Koloniebildung der Tapinoma magnum.
Im Gegensatz zu vielen heimischen Arten, die nur eine einzige Königin pro Kolonie akzeptieren, toleriert diese Ameise mehrere fruchtbare, eierlegende Königinnen gleichzeitig. Durch das Zusammenwachsen einzelner Kolonien entstehen sogenannte Superkolonien, die sich über mehrere Quadratkilometer ausdehnen können.
Umweltministerium Baden-Württemberg
Die Ameisenart "Tapinoma magnum" sorgt deshalb auch inzwischen beim Umweltministerium in Stuttgart für Aufmerksamkeit. Laut Ministerium handelt es sich um ein neuartiges Phänomen mit weitreichenden Folgen. Das Ministerium ist in Kontakt mit Wissenschaftlern und internationalen Partnern, um schnellstmöglich Informationen über das Vorkommen, die Auswirkungen und effektive Bekämpfungsmethoden zu erhalten. Bisher geht man davon aus, dass keine unmittelbare Gefährdung für das Ökosystem besteht, wie eine Sprecherin erklärte.
Bundesamt für Naturschutz stellt diese Faktenlage fest
In der Naturschutzfachliche Invasivitätsbewertungen für in Deutschland wild lebende gebietsfremde terrestrische Wirbellose TiereTeil 2: Insecta (Band 1), kommen Wolfgang Rabitsch und Stefan Nehring zu folgendem Ergebnis:
Einstufungsergebnis: Potenziell invasive Art – Beobachtungsliste
Kriterium | Wertstufe | Beschreibung |
Gefährdung der Biodiversität | ||
Interspezifische Konkurrenz | Unbekannt | Unklar, ob heimische Lasius niger verdrängt wird; dominiert invasive Argentinische Ameise. |
Prädation und Herbivorie | Nein | Keine Gefährdung heimischer Arten bekannt. |
Hybridisierung | Nein | Keine Gefährdung heimischer Arten bekannt. |
Krankheits- und Organismenübertragung | Nein | Keine Gefährdung heimischer Arten bekannt. |
Negative ökosystemare Auswirkungen | Unbekannt | Bildet Superkolonien, Auswirkungen unklar. |
Zusatzkriterien | ||
Aktuelle Verbreitung | Kleinräumig | Verstreute Kolonien in mehreren Bundesländern und Nachbarländern. |
Maßnahmen | Unbekannt | Mechanische (Heißwasser-Schaum) und chemische (Insektizide) Kontrolle mit Einschränkungen. |
Biologisch-ökologische Zusatzkriterien | ||
Vorkommen in naturschutzfachlich wertvollen Lebensräumen | Nein | Besiedelt urbane und angrenzende Lebensräume. |
Reproduktionspotenzial | Hoch | Superkolonien bis zu zwei Hektar und über 20 Millionen Arbeiterinnen, bis zu 350 Königinnen pro Nest. |
Ausbreitungspotenzial | Hoch | Schwarmflüge und Koloniegründung möglich, meist in Nähe der Ursprungskolonie. |
Aktueller Ausbreitungsverlauf | Expansiv | Zunehmende Nachweise in Europa, wahrscheinlich expansiv. |
Monopolisierung von Ressourcen | Ja | Dominante Art, lokale Monopolisierung von Nahrungsressourcen wahrscheinlich. |
Förderung durch Klimawandel | Ja | Ausbreitung in kühlere Klimazonen möglich, Förderung durch mildere Winter erwartet. |
Wohingegen Cleo Bertelsmeier vom Institut für Ökologie und Evolution an der Universität Lausanne die Meinung vertritt:
Unter den invasiven Arten mit dem größten Schadenspotential sind sogar mehrere Ameisenarten vertreten. Die Tapinoma magnum gehört dazu.